Wo Träume wahr werden
Ich durfte gerade erst die Luftdrachen verabschieden, da befand ich mich auch schon im nächsten Drachen Territorium. Die Dämmerung senkte sich über das Tal der Glut und die letzten Sonnenstrahlen blendeten mich bei der Sicht auf die kleinen Berge und Gipfel, welche sich um ein Tal, am Fuße der Berge erstreckten. Dieses Tal sah so aus als wäre es früher mal ein Vulkan oder ein Krater gewesen, doch nun war es belebt und beleuchtet. Der Übergang war spürbar, nicht nur klimatisch, sondern auch kulturell. Wo die Luftdrachen in schwebender Leichtigkeit lebten, war hier alles schwer, warm und von einer fast ehrfürchtigen Dunkelheit durchzogen, obwohl das Volk durch Laternen und Lagerfeuer erstrahlte. Die Nacht und der Sternenhimmel waren düster und kalt, hier jedoch war alles sehr warm und angenehm. Mein Ziel war das Anwesen des Feuerdrachen Oberhaupts, dessen Söhne bald die Töchter der beiden Luftdrachenanführer heiraten würden. Ein Ereignis, das nicht nur Herzen, sondern auch politische Linien miteinander verknüpfen sollte und ich wollte mehr darüber erfahren. Der Anführer selbst war, wie man mir höflich mitteilte, an wichtige Vorbereitungen gebunden. Doch seine Söhne, Rohan und Valker, empfingen mich mit respektvoller Neugier. Ihre Schuppen glühten sanft im halbdunkelen Saal, als sie mich durch die steinernen Hallen führten. Rohan hatte dunkelbraunes Haar, sowie auch rotbraune Schuppen welche seine Flügel und Hörner zierten, während Valker dunkelrotes Haar mit weinroten und bräunlichen Schuppen an seinen Flügeln und Hörnern hatte.
„Unsere Familie ist unsere Flamme“ begann Rohan, während wir einen langen Korridor entlang schritten. „Und jede Flamme braucht Ordnung, sowie Luft, sonst erstiegt sie.“
Valker nickte. „Versprechen sind bei uns keine Worte, sie sind Bindungen. Wer sie bricht, verbrennt sich oder wird sich früher oder später verbrennen. Es schickt sich bei uns nicht, sein Wort nicht zu halten“
Sie blieben vor einer gewaltigen Wand stehen. Der Stammbaum ihrer Familie spannte sich über den Stein, wie ein Netz aus Glutlinien, welches sich von einem Bild, eines Familienmitglied zum anderen hangelt. Doch dazwischen waren Brandflecken. Leere Stellen, wo einst Namen und Gesichter waren. „Verbannt,“ murmelte Velkar. „Nicht vergessen, nur verbannt. Es gibt in jeder Familie und in jedem Volk seine Regeln und wer nicht nach ihnen spielt… wird schnell ins Exil verstoßen.“
Ich fragte nach ihren Feinden, denn während dem Rundgang zeigte man mir auch die Arena, worin ein paar Feuerdrachen kämpften. Es sah aus wie ein Tanz, mit ihren Sprüngen und den Flammen wird er sehr ansehnlich. Ihre Kampfweise ist keine Verteidigung, kein Duell, sie ist eine Form von Zerstörung und Chaos. Sie speien ihren Angreifern lodernde Flammen entgegen und mit einem einzigen, kraftvollen Flügelschlag stoßen sie sich rückwärts in die Luft zurück. Elegant und präzise, um den Überblick über das brennende Chaos nicht zu verlieren und ihre Gegner auf Distanz zu halten.
„Die Wasserdrachen,“ sagte Rhaon. „Früher waren es noch die Eisdrachen, doch der Krieg war nicht unserer. Unsere Väter und Großväter kämpften, allerdings kam nach all der Zeit auch der Frieden und man fand einen Weg das Kriegsbeil in Asche unter Eis zu vergraben. Es gab einen neu Anfang für die Wasserdrachen und sie zogen in die kälteren Gebiete, wo sie schlussendlich zu den Eisdrachen wurden. Doch im Krieg sind wir schon lange nicht mehr, denn nun sind beide Parteien zufrieden. Allerdings wissen wir auch nicht sonderlich viel über die damaligen Streitigkeiten, welche den Krieg ausgelöst haben.“
„So ist das alles auch nicht ganz unsere Art...“ ergänzte Velkar mit einem Lächeln, „Vielleicht haben wir schon bald eine Allianz mit den Luftdrachen und das nicht durch Blut sondern durch Liebe.“ Die Namen der Luftdrachenmädchen fielen ebenso, Araya und Lira. Zwei Freundinnen, die selbst schon fast wie Schwestern waren und nun bald Bräute der jungen Herren sei solten. Die Jungen sprachen von ihnen mit einer Wärme, die selbst die dunklen Hallen aufzuhellen schien. Doch auch ein Hauch von Sorge lag in der Luft.
„Die Luftdrachen mischen sich gern ein,“ sagte Rhaon. „Sie sind eben genau wie der Wind, überall und unaufhaltsam.“ „Dafür haben wir aber immer das letzte Wort!“ fügte Velkar lachend hinzu. Wir kehrten zurück in den Speisesaal, wo mir ein dampfendes Mahl gereicht wurde, würzig, feurig, und überraschend zart. Ich bedankte mich für ihre Offenheit, für die Führung und für das Essen. Doch während ich mich verabschiedete, blieb ein Gedanke in meinem Kopf: Diese Hochzeit war mehr als ein Fest, sie war ein Funke und Funken haben die Angewohnheit, Feuer zu entfachen, wenn sie über springen.
Ich hatte schon viele seltsame Dinge gesehen. Doch als ich einen hellblauen Geist vor meinem Zelt herumfliegen sah, dachte ich zuerst, dass ich noch träumen würde. Die Erscheinung erinnerte mich an die verspielten Begleiter der Pixies. Flatterhafte Wesen, die zwischen Licht und Laune lebten, allerdings war dieser hier ganz schön sauer und genauso schnell wie er aufgetaucht war... so war er auch wieder verschwunden. Ein kleines Buch lag plötzlich vor meinen Füßen. „Brieftaube“ stand in zarter Schrift auf dem Ledereinband. Das Buch sowie dieses Papier kam mir etwas bekannt vor darin stand ein Ort, eine Uhrzeit, und die Einladung zu einer Audienz mit einem der Anführer der Luftdrachen. Neugier war mein Antrieb und Wissen mein Kompass. Also machte ich mich in dem morgendlichen Leichtsinn auf den Weg.
Am angegebenen Ort warteten maskierte Gestalten, schweigend, würdevoll und in fließenden Gewändern. Ohne ein Wort ließen sie mich aufsteigen, doch es kamen nicht alle mit, zwei blieben dort an der kleinen abgelegenen Insel mitten im Meer stehen. Der maskierte Flugbote trugen mich sanft durch die Lüfte, höher und höher, bis die Welt unter uns zu einem Nebel aus Erinnerungen wurde. Schließlich erreichten wir eine schwebende Insel, verborgen in den Höhen, wo der Himmel sich hinter den Wolken versteckte.
Die Insel war weitläufig und offen, durchzogen von ein paar Trainingsplätzen, auf denen Luftdrachen in eleganten Bewegungen ihre Kata-Übungen vollführten. Doch sie waren keine Krieger, diese Kata-Übungen machten sie, um Kontrolle über ihren Körper zu bekommen und sich dabei auch zu entspannen. Der Anführer, welcher selbst als Luftdrache mit wenigen silbernen Schuppen und recht menschlicher Gestalt ausgestattet war, hieß ihn willkommen und erklärte es mir genauer: „Wir kämpfen nicht gegeneinander, denn wir möchten keinen mit Absichtlich verletzen, wenn handeln wir nur aus Notwehr. Mit starken Flügelstößen halten wir unsere Angreifer auf Abstand. Unsere Kraft ist die Distanz.“
Eifrig schrieb ich mit. Die Luftdrachen waren diszipliniert und höflich, es gab viele bedienstete in den erhabeneren Häusern und auch die Sprösslinge fügten sich stets dem was die Gouvernanten oder eben die Eltern anordneten. Ihre Geschichte war geprägt von Trennung und Tarnung. Einst standen sie unter der Obhut der Erddrachen, doch hatten sie sich sogleich gelöst, um frei zu sein. Die Erddrachen wollten offen sein für Ordnung, Kontrolle und Struktur, doch die Luftdrachen fühlten sich ausgenutzt und als würde man sie als Trophäe mit sich herum tragen. Schnell brach die Allianz zwischen ihnen wieder. Der Versuch, einander zu verändern, hatte nur Chaos gebracht. Die Feuerdrachen hingegen waren ihre Beschützer, oft eilten sie zu Hilfe, wenn graue Wolken aufzogen. Doch die Luftdrachen strebten nach Unabhängigkeit, wie die Eisdrachen, die in stiller Isolation ihre eigene Kultur bewahrten.
Die Luftdrachen handelten viel mit den Flugtieren. Fledermäuse, Bienen, Papageien, sie alle sah man häufig zwischen den Drachen umher gehen, transportierten Güter, Nachrichten oder besuchen Freunde.
Ich lernte von den drei Anführern des Volkes jedoch nur Aterion kennen. Zwei von ihnen hatten Töchter, die auch sehr gute Freundinnen waren und wie der Zufall es wollte verliebten sich beide in die Söhne des Anführers von den Feuer-Drachen. Also steht den beiden Brüdern schon bald eine Doppelhochzeit bevor, ein seltenes Ereignis, das das Volk in freudiger Erwartung vereinte. Zwischen den eleganten Flugübungen und den leisen Gesprächen über Diplomatie und Handel war die Liebe ein leiser, aber kraftvoller Hauch welcher in der Luft schweben zu vermag. Zu schade dass ich die glücklichen Mädchen nicht auch noch zu sprechen bekam doch es hieß sie sein bei den heißblütigen Herren zu Besuch.
Ich weiß nicht, wie lange ich bewusstlos war. Als ich die Augen öffnete, war die Welt aus Stein. Kein Licht, kein Himmel, nur das dumpfe Echo meiner eigenen Atmung. Ich wurde verschleppt und erinnerte mich noch an einen heftigen Schlag gegen meinen Hinterkopf.
Das klang nach diesen berüchtigten Erd- Drachen. Ich hatte von ihnen gehört, jedoch nur flüchtige Berichte und widersprüchliche Legenden. Doch nichts hätte mich auf das vorbereitet, was ich nun mit eigenen Augen sehe. Ihre Stadt liegt nicht unter dem Berg, sondern in ihm. Der gesamte Fels schien ausgehöhlt, wie eine gigantische Säule, die sich in konzentrischen Ringen nach unten wand. Jeder Ring ist eine Partie für sich: Märkte, Wohnhöhlen, Trainingsplätze, sogar eine Arena. Es riecht nach Staub, Eisen und etwas, das ich nicht ganz benennen kann.
Nach einer Weile wurde ich, immer noch gefesselt zu einem etwas älteren Drachen gebracht der mir die Fesseln abnahm und seine kräftige Hand in meinen Nacken schlug. Als wäre ich ein Gast führte er mich herum und fragte mich aus wofür diese Aufschiebe sind. „Ich bin eine Forscher und möchte nur mehr über sie und ihr Volk erfahren…“ So erklärte ich mich, doch er gab mir mein Buch nicht wieder. „Mein Name ist Latomus und ich will dir mehr über uns erzählen, nun komm!“
Sie dulden mich also nicht aus Freundlichkeit, sondern weil sie selbst neugierig waren. Er schob mich schon fast schubsend vor sich her, ihre Kommunikation war rau, sarkastisch, und oft spöttisch. Ich hatte den Eindruck als würde er mich provozieren wollen, er stellte Fragen, die keine Antworten brauchten, und lachen über meine Unsicherheit. „Na bist du zu schwach um dich zu wehren ? Du siehst hier Unten nicht sehr viel nicht wahr ?“
Die Erd-Drachen sind Jäger, doch nicht mit Augen, sondern mit dem Boden selbst. Sie fühlen Bewegungen, lesen Vibrationen und können sich daher orientieren. Ich habe gesehen, wie einer von ihnen mit einem einzigen Hieb einen Brocken aus dem Boden stanzte, um einen Pfeil abzuwehren.
Sie sind gierig, wir gingen an einer Art Taverne vorbei und die Art wie sie Aßen lässt mich nur schlussfolgern dass sie fast verhungerten oder einfach keine Genießer sind…. Ihre Gesellschaft ist chaotisch und doch funktioniert sie. Jeder mischt sich ein, sie streitet und kämpft. Wie bei den Wölfen gilt „Die schwachen werden aussortiert.“
Früher, so erzählen sie mit einem bitteren Unterton, hatten sie ein Bündnis mit den Luft-Drachen. Wesen der Struktur und der Balance. Wir traten über einen etwas höher an der Bergspitze liegenden Ring an ein Platform die deutlich heller eingerichtet war. „Sie versuchten das Chaos zu zähmen. Und wie immer scheiterte es!“ Ein weiterer erwiderte „Wir waren zu hart, zu skrupellos!“ Sie lachten alle miteinander laut auf und es hallte in der Höhle hinter uns nach.
Empathie scheint ihnen fremd. Sie beobachten mich wie ein Insekt im Glas und dass ich es nicht verstand war für sie noch amüsanter. Schlussendlich ließ mich Latomus los und gab mir meine Tasche mit meinem Buch zurück. Nein er warf sie mir zu, während ich meine Sachen aufsammelte packte mich einer der Drachen grob an den Schulter und flog mich einen langen Hang herab bis er mich ein paar Meter über dem Boden fallen ließ.
Die Karte führte mich zum Fluss der Drachen oder besser gesagt dem Undadraco. Hier Sohn die besonderen Wesen leben, natürlich gab es auch einig die sich auf dem Meer oder in Seen ansiedelten. Doch von dieser Flussstadt wusste fast jeder. Seit einem Tag ging ich de Fluss am Ufer entlang und hoffte auf ein Lager, eine Falle oder zumindest einem Hauch einer Spur, doch kein Drache macht sich bemerkbar. Bis der ich an einer gewaltigen Bergwand ankam, die vollkommen aus dem Nichts auftrat und auch gar nicht in meiner Karte verzeichnet war. Ich wunderte mich doch sehr und überprüfte noch einmal ob ich hier überhaupt richtig war, jedoch stimmte sonst alles überein. Durch die monströse Felsenwand plätscherten die Wellen und der Fluss ließ sich nicht unterkriegen weiter zu fließen. Umso weiter ich gegen die Strömung ging umso kälter wurde es. Der Fluss entsprang entsprang einem kalten Gletschergebiet. Ich weiß nicht, was mich zu diesem verschneiten Ort geführt hatte, doch es fühle sich richtig an. Vielleicht war es der Ruf der alten Geschichten, vielleicht nur die Sehnsucht nach etwas, das größer ist als meine Karten und der Kompasse.
Die ersten Tage waren einsam und der Frost kroch in meine Knochen. Doch dann, in der Dämmerung eines grauen Morgens, sah ich sie. Ein Schimmer unter der Oberfläche, dann zwei. Sie bewegten sich schnell, elegant und lautlos. Ich blieb still. Doch sie konnten nicht nur Unterwasser sondern auch über Wasser überleben. Ich weiß nicht, ob sie mich zuerst bemerkten oder ob sie mich nur duldeten. Aber ich begann, Muster zu erkennen. Sie tauchten an bestimmten Stellen ab und kehrten durch die gleichen zurück, mit gefrorener Beute. Der Fische den sie gefangen hatten… er war starr wie Glas, eingefroren durch ihren kühlen Atem. Der drachenartige Mann war genauso groß oder etwas größer als ich und mit Schuppen bedeckt, an manchen Stellen seines Körpers, die im Licht an der Oberfläche auch ersichtlich waren. Er duldete mich und sein Blick musterte mich von oben bis unten. Die Augen waren kühl und seine Haut blass zum verwechseln ähnlich wie mit einem Luft Drachen, wenn da nicht dieser bläuliche Schimmer wäre. Ich hatte ihn offensichtlich bei seiner Jagt gehört, doch er sah wie durchgefroren und hungrig ich war, also durfte ich bei ihm essen. Ich folgte ihm und kaum gingen wir ein Stück kamen uns drei aufgedrehte Sprösslige seines Gleichen nach.
Sie waren noch viel kleiner als wir und froheren sich gegenseitig mit ihrem Eis Atem ein, rannten über das Wasser oder flogen immer mal wieder ein Stück voraus, doch stets so weit wie Herr Glacien sie noch im Blickfeld hatte. Es waren zwei Buben und eine Tochter, doch da ich beim Essen erwähnte dass ich gerne mehr über die Geschichte der Wasser-Drachen erfahren würde, beehrten die Kinder uns nicht bei so langweiligen Gesprächen. „Das werden die Kinder früher oder später noch verstehen. Ken wunder dass sie uns auf ihrer Karte nicht gefunden haben, sie ist sehr veraltet und ob vor der Kriegszeit gezeichnet worden. Eint lebten wir als, eine sie schon sagten Wasser-Drachen zentral am Flusse des Undadraco. Dies änderte sich jedoch sehr schnell da bestimmte Volksmitglieder der Element-Drachen sich nicht im Griff hatten und einen heimtückischen Hinterhalt auf die Feuer-Drachen planten. Man weiß nicht genau und kann auch nur spekulieren, ob es Absicht war oder nicht, jedoch sind die Erddrachen mit einem Angriff, der schon weit über dem Fuße der Schlucht begann in den Krieg hinein gezogen. Bei diesem Angriff gab es eine gewaltige Erschütterung des Bodens alles bebte und kein Gewässer blieb verschont im Umkreis der Schlucht.
Ich wäre nur zu gerne in diesen Krieg mit eingestiegen, doch blieben mir die Hände gebunden. So evakuierten mein Bruder, meine Frau und ich die ganze Stadt, wir schwammen der Strömung entgegen und zogen uns in die kalten Gletscher zurück. Dort lernten wir uns dann der neuen Umgebung anzupassen, den Kindern gefällt es und mir auch.“ Es folgten noch mehr Fragen meinerseits, allerdings schrieb ich mir vor Kälte starr gewordenen Fingern nicht mehr viel auf. Ich war dort, habe sie gesehen und sie verstanden…zumindest ein wenig. Und vielleicht, eines Tages, wenn der Fluss wieder ruft, werde ich ihm erneut folgen, vielleicht mit den Wasser-Drachen.
Ich habe lange auf diesen Moment gewartet. Die Beschreibung dieses verborgenen Handelsplatzes fand ihren Weg zu mir durch vergilbte Pergamente und halbwahre Erzählungen von Reisenden, Betrunkenen Tavernen Tölpel und anderen Händlern. Ein Markt, tief in den Katakomben verborgen. Hier soll es das Ersatzteil für mein beschädigtes Fernrohr geben. Eine Glasscheibe aus Amethyst, präzise geschliffen und für mich sehr kostbar.
Die Luft ist dicht und schwer, gefüllt mit Gerüchen fremder Gewürze und dem leisen Murmeln zahlloser Stimmen. Schatten huschen zwischen den Ständen, Gesichter verbergen sich hinter dunklen Kapuzen, und doch spüre ich die Blicke auf mir ruhen. Die Dunkelheit ist hier nur für Fremde fremd. Sie beobachten mich, messen meinen Wert und prüfen meine Absichten.
Die Gruppierung des Marktes nennt sich selbst „Morthir“ was so viel bedeuten soll wie „Dunkler Pfad“. Die Dunkelelfen sind Einzelgänger, doch hier wirken sie wie ein perfekt geöltes Uhrwerk. Lautlos bewegen sie sich durch die engen Gassen des Marktes, handeln mit Gegenständen und unauffällige Übergaben, die ich nur erahnen konnte. Überall wurde gearbeitet oder gehandelt, glühende Splitter unbekannter Mineralien, kunstvoll geflochtene Körbe aus Wurzeln und Haaren fremder Kreaturen, eine geschwungene Klinge, welche das wenige Licht auffing und zurück blitzen ließ lies.
Ich trete näher an einen Stand heran, hinter dem eine schlanke Gestalt mit scharf geschnittenem Gesicht mich abschätzt. Kein Wort wird gewechselt, als ich meine Anfrage stelle. Stattdessen sehen unter den weißen, nein fast schon silbernen langen Harren, zwei grüne Augen hervor. Diese Haare wirkten gesund und jung, die Kreatur war nicht alt, sie hatte natürliches schimmerndes Haar. Ein Blick, ein leises Zucken der Lippen und eine schnelle Handbewegung, so zeigte man mir, die Scherbe um die ich nun verhandeln sollte. Das Spiel beginnt. Sie verhandeln nicht wie gewöhnliche Händler, sie testen mich, wollen wissen, wie weit ich gehe, ob ich verstehe, dass in der Dunkelheit nicht nur Handel, sondern auch Macht liegt, denn hier unten regieren sie.
Nach einer gefühlten Ewigkeit und dem richtigen Preis reicht mir die Gestalt eine andere kleine, mit schwarzem Stoff umwickelte Scheibe, es war die ganze Zeit die falsche Scherbe die sie mir zeigte. Doch nun hatte ich die richtige. Die Amethystglasscheibe, mein Preis ist gezahlt. Mein Name mag unbekannt sein, aber heute bin ich unter ihnen registriert. Hier unten, in der Welt der Schatten, ist Wissen ebenso wertvoll wie Gold. Das ganze Geflüster und gegenseitige reinlegen, sowie die Tricks und das hinterhältige bluffen. Diese Wesen will ich nicht in Frage stellen. Ich verlasse den Markt mit meinem Fund, doch ich spüre wie ihre Blicke noch lange auf mir verharren.
Es gibt viele Völker unter den Hochelfen, und jedes trägt seine eigenen Normen, Werte und Eigenheiten in sich. Doch das Volk, das ich heute beschreibe, nennt sich Sael gûr oder zumindest ist dies der Name, den sie mir nannten, bevor sie sich wieder in ihre Bücher vertieften. Der Name soll soviel aussagen wie „ein weiser Verstand“.
Ich fand ihre Siedlung an dem Hang einer Klippe, die über den Beginn des Meeres ragte. Von weitem sah ich schon dieses architektonische Meisterwerk, welches aus filigranen Türmen und kunstvoll verzierten Häusern bestand. Es war kein einzelnes Anwesen, sondern eher ein Dorf, eine Gemeinschaft die alle den selben Stiel einhielten.
Die Hochelfen sind ziemlich groß gewachsene Wesen, noch ein kleines Stück größer als ich, obwohl ich schon groß bin. Ihr Gang ist zielstrebig und elegante, die meisten tragen hier lange weiße Gewänder. Ähnlich wie die Dunkelelfen haben sie weißes, silbernes oder blondes Haar, einige haben auch sehr pastellfarbene Haare mit goldenem Schmuck, welcher in die einzelnen Strähnen geflochten ist. Sie sind sehr Neugierige und Wissbegierige Wesen und sie lassen sich nicht so schnell einen Eisbär auf die Nase binden. Ich kann einen natürlichen Forscherdrang wahrnehmen, dem sie nachgehen müssen, so wie ich es auch tun muss. Während ich diese Aufzeichnungen schreibe sitze ich übrigens in der großen Bibliothek an einem Lesepult. Hier gibt es über 20 Lesepulte, Federn und Tinte welche ich einfach so benutzen darf. Sie stellen viele Fragen über mich und meine Person, sowie auch meine Aufschriebe, doch diese schriebe ich nur für mich. Die Hochelfen erfüllen auch eine gewisse Arroganz. Ist dass vielleicht das Resultat aus zu viel Meditation? Die ihre Überzeugung so sehr nährt, dass sie nur noch sich selbst im Blick haben… Wer weiß, Meditation ist jedoch ein Tagesordnungspunkt der zu erfüllen gilt.
Eine weitere große Leidenschaft sind Bücher. Sie behandeln alte Folianten mit einer Ehrfurcht, als wären sie lebendige Wesen. Magische Schriftrollen werden sorgfältig bewahrt und studiert. Doch ihr Wissen ist nicht rein akademisch, sie setzen es mit einer fast spielerischen Genugtuung ein, um ihre Überlegenheit anderen zu demonstrieren. Sie sehen nicht nur wegen ihrer körperlichen Größe auf andere herab, sondern auch im Allgemeinen. Es mangelt ihnen nicht an Gelegenheit, sich und ihr Wissen oder können zu präsentieren und dies auch Fremde spüren zu lassen.
Doch hinter der Fassade der Disziplin und Etikette brodelt es. Machtkämpfe sind subtil, kaum sichtbar für ein ungeschultes Auge, doch sie existieren. Ihre gemischte Demokratie ist weniger eine Ordnung mit der alle zufrieden sind, sondern mehr ein ständiges Kräftemessen zwischen rivalisierenden Seiten. Ich verbrachte einige Zeit unter ihnen, lauschte ihren Debatten, beobachtete ihre sorgfältig einstudierten Gesten der Höflichkeit und fast berechnenden Blicke. Hier gibt es keine offenen Konfrontationen, nur ein unterschwelliges Spiel aus Intrigen und Prestige. Man bekommt nur durch die Blume gesagt, was man von einem hält oder man redet es den Personen so sehr ein, dass sie selbst beginnen an sich zu zweifeln. Wer die Fassade zuerst fallen lässt oder unter dem Druck bricht hat verloren.
Wie viele Tage ich verweilte, vermag ich nicht zu sagen. Doch als ich meine Sachen packte und das Volk verließ, spürte ich ihr abwägendes Urteil in meinem Rücken. Ich war ein Beobachter, ein Fremder in ihrer Welt, und vielleicht, wenn ich lange genug blieben würde, könnte ich lernen nach ihren Regeln zu spielen… doch ich ziehe weiter.
Der Wald atmete und nun atmete auch ich wieder auf. Ich konnte es fühlen, als ich mich durch die schattigen Tiefen schlängelte. Zwischen den moosbewachsenen Wurzeln sah man ab und zu versteckte Fallen aus geflochtenen Ranken und Seilen liegen. Dies war nicht einfach irgendein Wald, es war ihr Wald.
Die Waldelfen sahen mich schon lange, bevor ich sie erblickte. Ein leises Knacken, ein unmerkliches Rascheln, ein natürliches Zeichen ihrer Anwesenheit, bevor sie schließlich aus dem Dickicht traten. Ihre Augen waren hell, scharf, durchdringend. Ich wusste, dass meine Anwesenheit nicht unbemerkt geblieben war.
Doch sie waren mir nicht feindlich gesinnt, im Gegenteil. Ich durfte bei ihnen im Stamm verweilen, um zu Kräften zu kommen. Doch somit bekam ich auch die Chance ihre Sitten und Geschichten zu studieren. Jedes Volk oder jeder Stamm ist unterschiedlich, ganz eigen und individuell. Hier befand ich mich in einem von zahlreichen schwarz-eichenwäldern.
Die Familie war der Kern ihres Lebens, doch Familie bedeutete manchmal auch mehr als Blut. Oft waren es enge Freunde, Jagtgefährten oder Kampfbrüder, die diese Bande noch stärker machten. Doch nicht alle Familien waren harmonisch. Alte Streitigkeiten oder strenge Regeln flackerten in den Schatten der Feuerstellen auf, unausgesprochene Worte lagen schwer in der Luft. Jede Familie hatte ihre eigenen Regeln, das wichtigste war am Ende des Tages der gemeinsame Abend am Lagerfeuer. Sie lebten von nichts außer der Natur, doch obwohl sie wilde waren verhielten sie sich sehr zivilisiert und solidarisch gegenüber anderen Wesen.
Ihr Leben war der Natur gewidmet, nicht nur als Bewohner, sondern als Teil von ihr. Ihre Finger ertasteten die feinen Linien der Blätter, ihre Füße spürten die Bewegungen des Bodens, ihre Ohren hörten jeden brechenden Ast des Waldes. Sie jagten mit einem nahezu instinktiven Wissen um die Beute, wussten, wann das Wild am aktivsten war, kannten jeden verborgenen Pfad in dem Dickicht der Wälder. Doch sie waren nicht nur Jäger und Läufer. Sie waren entschlossene Denker, ihre Meinungen geformt wie uralte Eichenstämme: stark, tief verwurzelt und kaum zu erschüttern. Eine Entscheidung war keine Laune, sondern stehts mit Blick in die Zukunft gefällt. Wer sie ändern wollte, musste mehr als Worte bringen. Taten zählten, keine leeren Versprechen.
Ihre Offenheit für die Gemeinschaft war faszinierend, aber ich erkannte schnell, dass nicht alles freundlich war. Vertrauen war kein Geschenk, sondern eine Errungenschaft die man sich verdienen musste. Und wer ihre Moral infrage stellte, traf auf einen harten Stein, der nicht einfach zu zerschlagen schien. Ich nutze meine neu erworbenen Kenntnisse und mache mich viel unbemerkter von dannen als ich bei ihnen angekommen war, nicht ein Mal Fußspuren hinterließ ich. Kein Zeichen meiner Anwesenheit, ich war nicht Teil ihres Waldes. Doch der Wald blieb in mir.
Es war ein regnerischer Abend, wie geschaffen für Geschichten, die besser bei Bier als bei Tageslicht erzählt werden. Die Taverne „Zur faulen Kröte“ lag am Rand des Moors und ich brauchte endlich mal eine Pause von der langen Reise. Ich hatte mich dort niedergelassen und stolperte unmittelbar in die Ortschaften der Orks hinein.
Sie kamen spät in der Nacht, als die Taverne schon halb leer war. Die Tür flog auf wie von einem Sturm getroffen, und drei bullige Gestalten stapften herein, als gehörte ihnen der Ort. Ihre Haut war grünlich, mit Schlamm verkrustet, ihre Kleidung war zerfetzt und bestand aus Tierhäuten, die mehr nach Beute als nach Mode aussahen. Der größte von ihnen, ein breitschultriger Klotz mit einem Ziegenhorn um den Hals brüllte nach „Fleisch, das noch schreit!“ und warf eine Handvoll nasser Münzen auf den Tresen.
Ich beobachtete sie. Sie waren laut, rau, und schienen sich einen Spaß daraus zu machen, den jüngeren Wirtlehrling zu erschrecken, indem sie ihm rohe Tierorgane zeigten, die sie offenbar frisch aus dem Moor mitgebracht hatten. Sie erklärtem ihm ganz genau wie sie die Tiere in die Ecke drängten und auf die Herde jagt machten.
Ich näherte mich vorsichtig. Der kleinste von ihnen, mit einem Gesicht wie ein geschnitzter Kürbis, starrte mich an. „Du guckst wie’n Reh vorm Pfeil,“ knurrte er. Ich stellte mich vor, erklärte mein Interesse an ihrer Kultur. Sie lachten. „Kultur? Wir hauen, wir essen, wir schlafen. Das ist Kultur genug!“ Doch als ich ihnen ein paar Flaschen Hochmoor-Met spendierte, änderte sich die Stimmung.
Der große Ork namens Grumsh bot mir an, sie zu begleiten. „Du willst wissen, wie wir leben? Dann komm mit und du gibst uns danach das Rezept für den Met.“ Ich nahm das Angebot an und schon im gehen fingen wir an zu trinken. Auf dem Weg zum Sumpf lachten wir schon gemeinsam und grölten Lieder die sie mir in kurzer Zeit beibrachten.
Der Boden wurde immer weich und das Wasser trüber. Die Orks bewegten sich mit erstaunlicher Geschicklichkeit, jagten mit Speeren, die sie aus Knochen geschnitzt hatten, und kommunizierten mit Knurren, welches sich als taktische Zeichen zur geheimen Verständigung heraus kristallisierte. Dumm waren sie nicht, nur anders. Ihre Intelligenz lag nicht in Büchern, sondern im Instinkt und Bauchgefühl.
Sie lebten in Gruppen, oft nomadisch, ihre Lager bestanden aus einfachen Hütten und Zelten. Streit war häufig, besonders unter den Jüngeren, die sich gegenseitig schikanierten, um Stärke zu beweisen. Doch es gab auch Regeln: Wer gut jagte, durfte zuerst essen. Wer schlecht kochte, musste den Abwasch im erledigen, ein Strafe, die schlimmer war als sie klang.
Ich sah dabei zu wie sie eine Kuh ausnahmen und wie man aus Moorschnecken eine Suppe kochte, die angeblich Liebeskummer heilen sollte (tat sie aber nicht), und im Gegenzug zeigte ich ihnen wie man den geschenkten Met machte. Doch eine Frage stellte ich mir noch, warum die Taverne so einen seltsamen Namen hatte.
„Die Taverne „Zur faulen Kröte“ verdankt ihren Namen einem legendären Vorfall, bei dem der alte Wirt versehentlich eine riesige Sumpfkröte die sich versehentlich hinein verirrt hatte, für einen betrunkenen Stammgast hielt und ihr drei Nächte lang Freibier spendierte. Als sie schließlich auf dem Tresen einschlief und nicht mehr wegging. Am nächsten Morgen erklärte der Lehrling dem Wirt dass es kein Gast sondern eine Kröte war. So tauften sie die Taverne um und erklärte sie zu ihrem Maskottchen. Seitdem sitzt eine steinerne Kröte am Tresen, mit einem zufriedenen Grinsen und einem wahrhaftigem Zuhause.“ Erklärte er mir und ich entgegnete nur noch, dass die Kröte ja jetzt doch zu einem Stammgast wurde. Daraufhin machte ich mich auf den Weg und immer wenn ich in eine Taverne gehe schaue ich nach einer zufriedenen Kröte.
Ich hatte schon viele Völker gesehen und einige Mienen durchkämmt, doch ich bekam die fleißigen Arbeiter in fast nie zu Gesicht. Die Zwerge lebten definitiv unter der Erde oder nah an ihren Mienen Eingängen. Mir wurde beschrieben, dass sie so ähnlich lebten wie die Dunkelelfen, doch haben sie einen anderen Ruf. Ich hielt mich dran, meine Forschung und Neugier trieb mich weiter, tiefer, bis ich nach endlosem Graben endlich vor dem Eingang einer sehr belebten Miene stand.
Der Eingang war ein Meisterwerk aus schwarzem Stein und dunklem Holz. Ich klopfte. Die Tür öffnete sich einen Spalt, und eine Gestalt, kaum halb so groß wie ich, trat hervor. Der Gesichtsausdruck wirkte genervt und langsam richtete die Gestalt ihren Blick und Kopf nach oben zu mir. Nun konnte ich auch den kunstvoll geflochtenen Bart erkennen, welcher mit kleinen Metallringen geschmückt war. Ich wollte mich gerade vorstellen, da knallte man mir die Tür auch schon wieder vor der Nase zu. Offenbar war man nicht sonderlich interessiert an meiner Anwesenheit.
Doch ich war hartnäckig. Ich klopfte erneut, argumentierte, erklärte wer ich war und dass ich mir nur Notizen zu den Bauwerken und zu ihrer Lebensweise machen wollte. Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete sich die Tür wieder. Diesmal trat ein älterer Zwerg hervor, der vielleicht etwas größer war als sein Vorgänger. Er sagte kein Wort, stattdessen ging er schleichend um mich herum, er musterte mich und strich sich mit einer Hand über den Bart, während er immer wieder „Hmm. Mhm, hamm…“ vor sich hin murmelte. Schließlich griff er nach meinem Gürtel und zog mein Fernglas hervor. Mit geübtem Blick drehte er es in seinen Händen, betrachtete die eingelassene Amethystlinse und murmelte etwas von den Dunkelelfenkunst. „Also hören sie mal… sie können mir doch nicht einfach das Fernglas vom Bund reißen, was hat es denn mit den Dunkelelfen zu tun ?“ Fragte ich ihn, wobei ich genau wusste dass es meine Linse vom Schwarzmarkt der Dunkelelfen war, doch dies wollte ich nicht einfach so offenbaren. Jedoch hatte ich damit wohl ungewollt Eindruck hinterlassen. „Mein Name ist Hampfred Hauer und ich bin hier Torhüter, an mir kommt keiner vorbei und wenn sie hier rein wollen und Tourist spielen möchten, dann hat das seinen Preis! Dieses Fernglas wurde von den Dunkelelfen geschaffen, zumindest diese Linse weist eindeutige Merkmale auf. Ihre Schleifkunst ist sehr begehrenswert, aber sie sind so nervige Wesen mit ihren heimtückischen Spielereien, sie sind einfach nicht für den Arbeitsmarkt gemacht, nur deswegen verbergen sie sich in den Höhlen und Gruften um ihr Unwesen zu treiben. Naja wie dem auch sein, das ist ein sehr gutes Fernglas, ich behalte es und gebe ihnen eine Führung kommen sie mit“ Mein Fernglas wurde also zur Eintrittskarte und ich spazierte Hampfred nach.
Herr Hauer, führte mich durch die Mienen. Was ich sah, übertraf jede Vorstellung: Die Gänge waren durchzogen von hölzernen Balken, die den Stein stützten, und überall arbeiteten Zwerge mit einer Präzision und Geschwindigkeit, die ich nie für möglich gehalten hätte. Ihre Werkzeuge waren nicht nur funktional, sondern kunstvoll verziert, ein Beweis dafür, dass sie nicht nur Arbeiter und Schmiede waren, sondern auch Künstler und Juweliere. Jeder Schlag der erst ganz gewöhnlich begann wurde immer schneller und schneller. „Nun wissen sie das kommt einfach aus dem Handgelenk, irgendwann ist man mit allem im Einklang und dann kommt das von ganz alleine.“ Erklärte mir Hampfred. Die Zwerge, so erklärte er mir, lebten für das Erz, für die Verarbeitung, für die Kunst des Schleifens und Schmiedens. Sie kannten den Wert jedes Minerals und jeder Ader im Gestein. Ihre Gesellschaft war streng organisiert und überall hingen kleine Pläne, wer wann wo sein sollte. Die Gänge waren alle mit Nummern und Buchstaben gekennzeichnet. Gleich wie in einem Quadratendsystem. Er berichtete auch von ihren Allianzen und wo sie überall ihre Stände als Schmiede und Juweliere haben, vor allem die Hochelfen sollen gut bezahlen und treue Kunden sein, aber auch extreme Anforderungen haben. Während wir durch die Gänge schritten, kamen uns Familien entgegen. Kinder trugen Kerzen, ihre kleinen Gesichter leuchteten im flackernden Licht. Ich folgte ihnen unbewusst in einen anderen Gang hinein, während Hampfred weiter sprach, ohne zu merken, dass ich abgewichen war von seiner Seite. Vor mir öffnete sich kein neuer Tunnel, sondern ein Mahnmal: eine eingestürzte Miene, umgeben von trauernden Zwergen, die Kerzen anzündeten und leise vor sich hin sprachen. Die Luft war schwer und erfüllt von einer stillen Ehrfurcht. Hampfred fand mich, packte mich am Arm und zog mich fort. Seine Stimme war rau, seine Augen jedoch zeigten Schmerz. „Sie haben das Tor geschlossen,“ sagte er knapp. „Ein Wasserfall brach durch. Die Miene stürzte ein. Viele starben. Sie gaben ihr Leben, um den letzten Distrikt zu sichern. Ansonsten wären noch viele weitere und darunter auch einige Kinder gestorben...“ Ich schwieg. Denn was sagt man, wenn ein Volk seine Toten nicht mit Tränen, sondern mit Stolz ehrt? Die Zwerge waren nicht nur ein Volk der Arbeit, sie waren ein Volk der Opfer, der Gemeinschaft, der unerschütterlichen Würde. „Mein aufrichtiges Beileid.“ sprach ich ihm aus und er klopfte mir dankend auf den Oberschenkel. Bei einer anderen Miene kam ich wieder heraus, wir verabschiedeten uns und ich dankte ihm noch mal. Während ich durch in die Welt wieder heraus trat, wurde mir klar, dass die Zwerge nicht nur stolze Arbeiter, mit einem weichen Kern waren, sondern dass es so viele einfache Sachen ohne sie und ihren Handel gar nicht auf dem Mark geben würde, und dass sie manchmal dafür sogar ihr Leben geben ohne dass wir es überhaupt mitbekommen.
Es war kurz nach Mitternacht, als ich inmitten stiller Strömungen auf die fremdartigen Silhouetten stieß. Mein kleines Boot trieb langsam zwischen den von Nebelschwaden umhüllten Felsen hindurch. Unter mir war das Wasser unheimlich klar, als hätte die Tiefe selbst beschlossen, mir einen Blick zu gewähren. Und was ich sah, ließ mein Verstand taumeln wie ein Mast im Sturm. Eine Nyxen. Jeder Seefahrer hätte nun ein großes Netz zur jagt nach ihnen geschmissen, doch ich war keiner, also blieb ich ganz ruhig.
Zuerst sah ich nur ihren Menschen oder elfenartigeen Oberkörper, doch dann auch ihre Schwanzflosse, die wie exotische Fische aussahen. Geschmeidig wie Delphine und blitzschnell wie Schatten, konnten sie damit durch das Wasser stoßen. Ihre leuchtenden Tempel unter dem Meer wirkten wie versunkene Paläste aus einer Traumwelt. Die von bläulich schimmerndem Licht erhellt wurden.
Ich wagte es nicht, das Wasser zu berühren. Die Legenden hatten mich gewarnt, zu lieblich, zu verlockend, zu gefährlich. Und doch blieb ich. Ich beobachtete, dokumentierte, versuchte zu verstehen, ohne mich selbst zu verlieren.
Dann tauchte eine von ihnen auf, während andere mich noch neugierig umkreisten.
Ihre Augen waren grünlich schimmernd wie ein polierter Jadestein, doch es gab auch viele andere Augenfarben, deren Blicke aus der Ferne auf mir ruhten. Sie zog sich aus dem Wasser und setzte sich vorsichtig auf einen Felsen in der Nähe meines Boots, der mir erst jetzt auffiel. Ihre Rüstung bestand aus bearbeitetem Seetang, beweglich und leicht, doch auch kräftig. In ihrer Hand ruhte eine geschwungene Waffe, auch aus Seetang, allerdings wirkte sie wie scharfer Smaragd. Ich bemerkte dass sie etwas wollte, doch sie traute sich nicht mich zu fragen, also beantwortete sie mir all meine Fragen damit ich ihr etwas schuldig war. Nayra, so hieß die Nyxe, berichtete mir, dass sie wohl auch ohne Probleme an das Land kommen könnte. Sie musste nur genügend Wasser an Land trinken um nicht nochmal neue Luft schnappen zu müssen. Seetang war eine wichtige Ressource, sie nutzen es für Waffen, Rüstung und zum Verzehr. In manchen Dörfern darf man sogar Fisch essen, doch in ihrem Dorf, dieser Region ist es streng verboten und zählt als Kaannibalismus. Ihre Feinde waren die Piraten, es gab vor langer Zeit friedvolle Vereinigungen zwischen Nyxen Seefahrern und Piraten. Jedoch weigerten sich die Nyxen weiterhin mit ihnen, auf Jagt zu gehen, denn sie fühlten sich ausgebeutet und ließen keinen Piraten mehr in die Nähe ihrer Türme und Tempel. Die Seefahrer hielten sich zum größten Teil aus diesen Konflikten heraus… Für mich waren das genug Informationen, denn als ich mich so umhersah bemerkte ich, dass die anderen Nyxen nun näher gekommen waren und ich in ihre Gesichter blicken konnte. Sie hatten teil, blaue, rote, gelbe und grüne Augen die mich anfunkelten. „Bleib noch“, sagte sie.
Die Worte waren kaum mehr als ein Hauch, und doch klangen sie in mir nach wie ein Lied, das man nie vergessen will. Sie beugte sich über den Rand des Boots, und das Holz begann sanft zu kippen…nicht drohend, aber auffordernd, als wollte sie sagen: „Komm mit. Lass los. Tauche ein.“
Ich hielt mich fest. Meine Hand berührte das Wasser, kalt wie der Ozean selbst, aber durchdrungen von einer Lebendigkeit, die mir den Atem nahm. Ich weiß nicht, ob ich hätte springen sollen. Vielleicht hätte ich ihre Welt verstanden. Oder mich darin verloren.
Doch bevor ich antworten konnte, verschwand sie wieder in einem Wirbel von Blasen und Licht. Mein Boot kippte durch die Wellen stark von einer zu der anderen Seite und ich sah zu dass ich wortwörtlich Landgewann.
Ich hatte gerade begonnen, meine Zelte abzubrechen, als sich ein besonders ungewöhnliches Bild offenbarte: Eine Ansammlung von weiter entwickelten Pixis, deutlich größer… aber für meine Verhältnisse noch viel zu klein…. mit silbrigem Schimmer und durchdringendem Blick sahen sie umher. Die Pastellfarbenen Farben leuchteten förmlich und alles war ziemlich Bunt. Sie saßen in einem runden Kreis aus Steinstufen, der in den Boden auf einer Wiese hinein ging. In der Kreismitte waren gab es viele Blumen und Moos. Zwischen ihnen schwebten die kleineren, hellblau leuchtenden Wesen, sie waren wie kleine Begleiter, die sich nicht von der Seite ihrer „Beschützer“ entfernen wollten.
Ich war erstaunt wie friedvoll sie doch eigentlich lebten: Die „großen“ Pixis behandelten die Kleinen nicht wie ihresgleichen, sondern fast wie Haustiere. Mit Fürsorge, Spiel und… merkwürdiger Disziplin. Ein „großer“ Pixi warf eine Kornblume weit weg und sofort flog einer der kleineren hinterher holte die Blume und gab sie zurück. Es war keine Unterdrückung, sondern ein liebevolles Zusammenleben. Während die Kleinen den Wald erkundeten, überwachten die Großen die Umgebung mit ruhiger Wachsamkeit. Sie sprachen sogar miteinander, obwohl ich ihre Sprache erst nicht erkannte, da sie so klang wie das gejammere der kleineren Waldgeister. Doch dann traute ich mich doch und gesellte mich zu ihnen. Sie boten mir an, mich zu setzen und ich unterhielt mich eine Weile mit ihnen.
Einer der Pixis erklärte mir nur grob was es mit den kleineren auf dich hatte. Ich glaube, er sagte: „Sie sind wir, bevor die Zeit uns gefressen hat.“ Ob das poetisch oder warnend gemeint war weiß ich allerdings nicht. Sie stellten mir auch Fragen zu mir und wirkten sehr interessiert und lustig, da sie viel mit mir Lachten. Ihre Stimmen waren hoch, schrill und hauchend.
Anmerkung zur Hierarchie und Sozialstruktur:
Die entwickelten Pixis leben mit den einfacheren Formen zusammen, oft in engem Kontakt Der Umgang ähnelt dem zwischen Mensch und Haustier, aber mit tiefem Respekt Sie kommen in dichten Wälder oder auf weiten Wiesen vor, manchmal alleine oder in einer kleinen Gruppe Sie haben diese Steinkreise, welche etwas in den Boden hinein gehen und sehr Stufen artig gestaltet sind Sie schweben über dem Boden.
Das Kichern hat inzwischen aufgehört und ich habe mich wieder meinem Zelt gewidmet, da die Pixis auch weiter gezogen sind. Es wirkt nicht so als hätten sie eine feste Siedlung bei der sie alle bleiben. Am Abend sind mir noch ein paar Dinge aufgefallen… mein Tagebuch riecht verdächtig nach Kornblumen und irgendwer hat eine kleine Zeichnung eines Schafes mit einer Pixi auf der nächsten Seite hinterlassen.
Ich weiß nicht mehr genau, wie lange ich unterwegs war, als ich zum ersten Mal ihre Silhouetten am Horizont sah. Es war ein stürmischer Abend, die Wolken lagen wie zerfetzte Schleier über den fliegenden Inseln gespannt. Als ich einen Herren sah der in dem Schatten, unter dieser fliegenden Insel auf einem kleinen Boot angelte. Ich ruderte näher heran…
Sein Körper waren schlank, geschmeidig, die Kleidung welche er trug war lang und in Kontrasten gefärbt. Seine Augen wirkten kühl, so dass ich mich kürz fragte, ob er überhaupt geblinzelt hatte, als wir so sehr Augenkontakt hielten. Das Lächeln war makellos, seine Stimmen weich. Und doch spürte ich vom ersten Moment an: Das diese Freundlichkeit irgendwie nur vorgespielt wirkte. Es war eine Vorführung.
Ich wurde hoch auf ihre fliegende Insel geführt… oder ehr geflogen. Auf seinem Rücken brachte er mich hinauf, in eine Stadt aus hellem Stein, die eine spitz zusammenlaufende Klippe hatte. Eldrion von Fried, so hieß der Mann welcher mich hinauf brachte. Ich war sehr begeistert von der Insel und dem Volk, doch ich fragte mich warum sie fliegen konnte. „Warum sie fliegt?“ Fragte Eldrion und blickte mich von oben herab mit einem müden Lächeln an. „Weil der Boden uns nie würdig war. Unsere Magie erhebt, was rein ist und trennt es vom Dreck der Welt.“ Alles an ihnen war erhoben, heilig, rein und sie waren so distanziert, perfekt und schön. Zu schön um Wahr zu sein.
Sie gestatteten mir, zu beobachten. Ich notierte ihre täglichen Rituale, ihre Gespräche, ihre magischen Übungen und wurde auch mit in die göttlichen Tempel geführt. Jeder Gott dem sie huldigten hatte seinen eigenen Schrein, immer Morgens oder Abends opferten sie Sachen. Manchmal waren es Früchte, Blumen, Tiere, oder besondere Erze dieser Welt. Alles war durchzogen von einer tiefen Selbstgewissheit. Sie nannten sich die “Reinen”, und was mich betraf, ich war nur ein geduldeter Eindringling. Einiges verheimlichten sie mir Gewiss. Ein Wesen der Erde mit beschränktem Verständnis, mehr war ich nicht für sie. Ich versuchte zu diskutieren, zu fragen, doch meine Worte wurden mit mildem Spott beantwortet. “Deine Sicht ist… berührend naiv”, sagte Eldrion. Sie lachten oft… nicht miteinander, sondern übereinander und am meisten über mich. Doch es gab auch noch dunklere Stunden. An jenem Morgen, als der Nebel die Insel umschlossen, geschah das Unerwartete. Eine Horde Untoter stieg aus dem Schatten der Nacht empor. Knochen klapperten und das vertraute Stöhnen der Zombies ließ mich Gänsehaut bekommen. Und ich stand mittendrin… Die Engel und ich reagierten sofort. Ihre Bewegungen waren ein Tanz, verschiedene Katas die zusammengeführt ein Kampf ergaben. Ich weiß nicht woran es lag, jedoch hatte ich den Eindruck, dass die Egel stärker waren und die Untoten schneller zum Fall brachten als ich es konnte. Jedoch waren es dennoch zu viele.
Ich sah einen der Engel taumeln, doch er erhob er seine Stimme, sprach eine Art Zauberspruch und ein grelles Licht brach für einen Moment hervor, um uns legte sich eine unzerstörbare Hülle. Kein Schlag, kein Hauch der Finsternis konnte uns erreichen. “Du bist unter meinem Heiligem Schutz”, sagte er mir… “Aber sei schnell ! meine Zeit für dich ist begrenzt.”
Wir flohen, obwohl wir hätte weiter kämpfen können, konnte ich es irgendwie nicht mehr. Nicht aus Schwäche, sondern aus Berechnung. Als der Zauber verging, waren wir wieder in einer sicheren Umgebung, der Zauber löste sich und wir waren nicht mehr verbunden. Ich war wieder nur der Besucher, das Experiment.
Ich verließ ihre Insel nach nur wenigen Tagen. Ohne Abschied. Ich hatte genug gesehen und genug notiert. Vieles bewunderte ich, manches verabscheute ich. Doch eines weiß ich gewiss: Die Engel sind nicht das, was ihre Schönheit verspricht. Sie sind mehr und weniger.
Ich weiß nicht mehr genau, wie ich nach Allmannheim kam. Jedenfalls ging ich einen Pfad entlang und auf einmal war da auf dieser gepflasterte Weg, der sich aus dem Gestrüpp des Waldes heraushob und gut zu beschreiten war.
Die ersten, die mir begegneten, grüßten mich mit einem kurzen Kopfnicken. Nicht übermäßig herzlich, aber auch nicht abweisend. Es war ein Gruß, wie ihn nur Menschen verwenden. Höflichkeit war eine wichtige Form der Achtung. Hier kam ich schnell mit den Leuten in ein Gespräch, man führte mich herum und zeigte mir die Häuser, Gärten und ihre Einrichtung. Die Dorfhäuser waren aus festen Steinen, mit sauberen Holzbalken, manche waren sogar entrindet und andere hatten gefärbte Ton Wände. Doch dass ist Geschmacks Sache. Symmetrie ist in Allmannheim kein Luxus, sondern eine Selbstverständlichkeit. Selbst die Hundehütten sind im rechten Winkel und die Treppenstufen sind alle genormt, damit man sich an keine neuen Abstände von Stufen gewöhnen muss.
Ich verweilte einige Tage, länger vielleicht, als ich ursprünglich wollte. Die Menschen hier stammen von überall. Es sind Händler, Ausreißer oder ehemalige Reisende, sie alle fanden den Weg nach Allmannheim und entschieden sich, zu bleiben. „Zur Ruhe kommen“ sagen sie oder „Ein Teil von etwas werden“ meinen anderen. Was sie hier eint, ist nicht Herkunft, sondern Haltung.
Die Kisten, die vor den Häusern stehen, sind alle beschriftet, mit Namen und Hausnummern. Werkzeuge sind nach Größe, Farbe und Verwendungszweck sortiert. Ich habe gesehen, wie jemand eine Axt reparierte, obwohl sie noch ganz gut funktionierte, nur weil sie „…aus der Reihe fiel“. Als ich einen Bewohner fragte, warum die Dorfuhr so exakt mit dem Sonnenstand abgestimmt war, antwortete er lächelnd: „Weil der Tag nicht dafür gemacht ist, ihn zu vergeuden.“ Hier legt man Wert auf Pünktlichkeit. Kinder lernen früh, wie wichtig es ist, eine Aufgabe mit Sorgfalt zu erfüllen. Ich sah einen Jungen, der ein Blumenbeet jätete und als er fertig war, stellte er sich aufrecht hin, die Hände in die Hüften gestemmt und den Blick stolz darüber streifen lassen, was er geleistet hatte. Diese Geste habe ich hier oft gesehen. Es war wohl so etwas wie ein stilles Ritual, um sich selbst zu sagen „Das habe ich gut gemacht !“
Fremde werden mit Vorsicht, aber nicht mit Feindseligkeit behandelt. Ich bemerkte, wie sie sich hinter den Fenstern verstecken, wenn ich durch die Siedlung gehe. Blicke die prüfend, aber nicht kalt waren. Als ich später mit dem Bürgermeister sprach, erklärte er es mir den Grund dafür. „Nicht aus Misstrauen, sondern weil wir wissen wollen, wer sich unter uns bewegt. Das Volk wurde oft auseinander gerissen und musste sich neu aufbauen. Wir vertrauen auf Freunde, und halten nicht viel vom Kämpfen“
Konflikte scheinen hier selten zu sein. Waffen tragen sie kaum, und wenn, dann vermutlich aus pragmatischer Notwendigkeit. Ihre größte Stärke liegt ohnehin nicht im Kampf, sondern in ihrer Beständigkeit. Der Fortschritt geschieht hier still, aber mit klarem Blick und klugen Händen am Werk zu sein.
Ich werde morgen weiterziehen. Aber ich nehme etwas mit: Das Klappern sortierter Kisten und den Duft von frisch gehobeltem Holz, sowie auch dem leckeren braun gebratenem Brot, welches man mir für meine Reise mitgegeben hatte.
Es ist spät, als ich die erste Flotte der Marevianer entdecke. Das Volk der stolzen Meere. Die Schiffe liegen ruhig im Wasser, an einem Harfen. Ihre geschnitzten Galionsfiguren an den Schiffen, starren hinaus auf das offene Meer, als ob sie nur darauf warten bald wieder in See zu stechen. Das Dorf ist recht klein, die Männer und Frauen gehen ihren Tätigkeiten nach: Kochen, Fischen, Meet brauen, sich um das Feld kümmern und die Tiere versorgen. Die Kinder rennen zwischen den Holzhütten umher, an den Dächern erkennt man den Kopf eines Seedrachen, welchen man auch bei den Galionsfiguren wieder erkennen lässt.
Ich halte mich zunächst im Hintergrund und beobachte, danach erkläre ich mich bei einem der Seefahrer, der mir die Überfahrt auf dem Schiff anbietet. Ich bezahle seinen genannten Preis und darf bei Einbruch der Dunkelheit mitfahren. Die Marevianer sind ein Volk des Meeres, doch sie begegnen Fremden mit Offenheit, solange man mit Respekt kommt. Ich sehe einen Brunnen im Zentrum des Dorfes, um den sich einige versammeln. Sie tauchen ihre Hände in das Wasser und berühren ihre Stirn. Möglicherweise eine alte Tradition oder ein Ritual, eine Geste an eine Gottheit oder das Meer selbst. Auch ich gehe zum Brunnen und beim genaueren hinsehen bemerke ich, dass es eine Art Schrein ist. Mir wird erklärt, dass alle die das Schiff betreten, sich mit dem Wasser segnen und um eine gute und sichere Fahrt bitten. Dafür tausche auch ich meine Hände in das Wasser und male eine Rune auf meine Stirn. Die Nacht brach langsam ein und auch wir brachen nun auf. Ich durfte mich zu dem Kapitän in die Kajüte setzen und ihn befragen zu dem Dorf und seinem Volk, für meine Aufzeichnungen Wir tranken gemeinsam Meet und ich sah mich in seiner Kajüte um, auf dem Kartentisch standen einige kleine Schiffsfiguren die aus holz geschnitzt wurden sind und bunt angemalt waren, nur eines nicht. Ein Schiff nah an einer Bucht war ganz in schwarz getaucht. So fragte ich nach was es damit auf sich hatte, und der Kapitän erklärte mir…
Mareo Elvanar Manche glauben, das Meer sei eine Bühne, auf der der Wind den Takt vorgibt und wir nur Figuren im Spiel der Gezeiten sind. Ich jedoch sage, dass das Meer den Willen derer prüft, die es befahren. Es belohnt die Starken und es warnt vor jenen, die zu viel nehmen. Diese Figur stellt die Atramentari dar, sie sind kein Volk sondern viel mehr eine Bande. Der Name allein lässt selbst die mutigsten meiner Männer an Deck erschaudern. Sie nennen sich nicht so, natürlich nicht, sie brauchen keine Namen, nur Angst mit der sie regieren. In der Umgebung sind sie als Atramentari bekannt, es bedeutet „Schwarzsegel“. Sie haben keine Heimat, keine Bucht und keinen Anker. Nur die See und ihre dunklen Segel bei Nacht.
Ich habe sie gesehen und selbst gegen sie gekämpft. Nicht oft, nur drei Mal, und das reicht für zwei Leben!
Beim ersten Mal tauchten sie auf wie Geister. Es herrschte kein Wind, und doch glitten sie lautlos über die Wellen. Ihre Ruder trieben sie wie ein Heer aus Schatten über die leichten Wellen. Wir waren schneller und vielleicht einfach besser vorbereitet... Beim zweiten Mal war es bei Nacht. Wir sahen die Segel nicht, aber die Stille war unnatürlich. Kein Möwen krächzen, kein Tau knackte nicht Mal das Schnarchen der Männer war zu hören, plötzlich war da nur das tiefe Grollen einer Stimme über das Wasser: „Gebt auf, oder geht unter!“ Doch meine Männer hielten stand. In dieser Nacht haben, wir haben Freunde und Kammeraden verloren. Beim dritten Mal … da traf ich ihre Kapitänin. Ich werde ihren Namen nicht aussprechen, nicht einmal die See will ihn hören… Einige behaupten, sie hätte keinen und andere sagen, sie wechselt ihn so oft wie die Jahresgezeiten. Was sie auszeichnet, ist nicht ihre Wut oder Gier. Es ist ihre Überzeugung. Sie glaubt, das Meer gehöre niemandem, außer jenen, die es sich nehmen.
Die Atramentari sind frei, das stimmt. Frei von Moral, frei von lästigen Pflichten und frei von jedem Kodex. Sie verachten unsere Traditionen, unsere Schiffe mit den geschnitzten Drachenköpfen, unsere Geschichten am Feuer und die Gemeinschaft, welche sich daraus bildet. Für sie zählt nur das Jetzt ! Wer die Oberhand hat, der lebt. Wer zögert, sinkt. Darum warnen wir unsere Kinder vor ihnen. Nicht, um Angst zu säen. Sondern um Achtung zu lehren. Die Atramentari sind keine mythischen Ungeheuer. Sie sind Menschen, wie wir. Nur dass sie das Meer zu ihrer Religion gemacht haben und Freiheit zu ihrer Klinge.
Wenn du je ihre Segel siehst, schwarz wie der Schlund eines Sturms, dann bete nicht. Handle. Und wenn du kannst, wende und finde den Wind, bevor sie dich finden!
Der Boden unter meinen Stiefeln ist weich, fast schwammartig, und die Bäume… wenn man sie denn so nennen will, sind gewaltige Pilze mit Kappen so breit wie Häuserdächer. Es riecht nach feuchtem Holz und nach Regen.
Heute traf ich zum ersten Mal auf die Pilzmenschen. Sie leben in einem Dorf aus kleinen Hütten und Pilzbäumen, welche zu Baumhäusern umfunktioniert worden waren. Ihr Anführer, eine beeindruckende Erscheinung mit rissiger Haut und leuchtend weißen Tupfen auf seinem roten Hut. Ich vermute ein Fliegenpilz, hieß mich willkommen, mit einem langsamen Nicken. Sein Blick schien alt zu sein und er lief gebrechlich. Sie redeten nicht viel und wenn dann etwas zu leise für meinen Geschmack.
Meist antworten sie mit Gesten, gelegentlich mit einem undeutlichen Murmeln. Ich blieb nicht lange, mit richtigem Essen konnten sie mich kaum versorgen. Ich lebte in einem kleinen Zimmer, in der Kuppel eines riesigen Pilzbaumes und deckte mich nachts mit einer moosigen Decke zu. Ich beobachtete, wie sie durch den Tag trieben, nie hektisch, nie gehetzt. Sie essen, ausschließlich Pilze, doch generell essen sie nur selten. Trotz dieser einseitigen Ernährung wirken sie gesund und erstaunlich widerstandsfähig sogar. Sobald Nachts die Zombies auf das Festland traten, teigten sie mir auch ihre Art und weise wie sie gegen diese Monster ankämpfen. Denn die Pilzwesen haben eine ganz eigene Verteidigung… sie verwurzeln sich bei Gefahr in der Erde und verschmelzen mit ihr. Zurück bleibt ein kleiner Pilz. Ein cleverer Trick der die Zombies rein legt. Und manch andere bestimmt auch. Ich lernte zwei Arten kennen in diesem Volk kennen: die Fliegenpilze, weise und stur, und die braunen Pilze, die eher geduldig und wachsam wirkten. Ob es noch andere Arten gibt? Bestimmt. Sie sprachen jedoch kaum darüber. Immer wieder ließen sie versehentlich kleine Pilze fallen und bemerkten es manchmal gar nicht. Wiederum waren manche darüber sehr beschämt, während weitere sich sehr darüber freuten, doch was genau es damit auf sich hatte wusste ich nicht. Ob es Nachwuchs war, eine Form der Kommunikation oder etwas ganz anderes, bleibt mir ein Rätsel.
Interessant war auch der Umgang mit ihren Tieren. Einige sahen krank aus, von Pilzen durchwachsen oder ehr überwachsen. Doch ein beherzter Schnitt mit der Schere, und die Pilze fielen ab, ganz ohne Schmerzen. Es war, als lebten Tier und Pilz in Symbiose, ohne Schaden zu nehmen.
Am letzten Abend saß ich im Haus des Anführers. Ein Lesepult zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Dort lag ein Buch mit moosigem Einband auf dem ich einen Titel lesen konnte: „Kroniken der Plasmodien“. Ich fragte nach, doch schnell wurde das Thema gewechselt. Vielleicht durften Fremde es nicht lesen. Vielleicht war es lebendig. Vielleicht… wusste ich dass es besser war, nicht weiter nach zu fragen.
Die Schwaden des Nebels hingen noch schwer über dem Wasserrand des Türbermoors, als ich zum ersten Mal auf sogenannte Schleimwesen traf. Es waren Wesen von durchscheinender Gestalt, in Farben zwischen Moosgrün, braun und weißen glitzernden Reflexionen. Mein nächtliches Umherirren, brachte mich zu einem kleinen, aber kunstvoll errichteten Dorf, welches aus Mangroven und Schwarzeichenholz erbaut war. In der Siedlung gab es eine Taverne, die der ganze Stolz dieses Dorfes war und die Zimmer waren auch ordentlich belegt. Ich bekam auch noch eines für diese Nacht.
Die Taverne sah nicht nur von Außen gut aus, auch von innen erstrahlte sie förmlich. Pilzlichter die warme Erleuchtung spendeten, blauen Orchideen auf jedem Tisch und einer kleinen Bühne, auf der am Abend leise klangvolle Schleimmusik ertönte oder große Reden und Ankündigungen gemacht wurden. Der Tavernenmeister selbst war auch der Schleimanführer dieses Volkes. Er begrüßte mich mit einer Höflichkeit, die ich selten unter fremden Völkern erlebt hatte.
In seinem Bücherregal entdeckte ich „Die Kroniken der Plasmoide“. Ich wagte nicht, danach zu fragen. Denn sie waren Tüftler und Entdecker wie ich, doch ihre Leidenschaft galt dem Bauen, Basteln und Erfinden, was nur zur Hälfte zu mir passte. Sie waren freundlich, aber ich spürte, dass sie ihre Geheimnisse für sich behalten wollten und so ging es mir bei den Pilzmenschen ja auch. Ihre Kreationen wirkten oft improvisiert, manchmal geradezu chaotisch, doch in allem lag eine raffinierte Logik. Ich konnte beobachten, wie sie Mechanismen erschufen. Wie aus dem Nichts hoben sich Steine vor einem Höhleneingang an und nach wenigen Sekunden bewegten sie sich genau an die gleiche Stelle zurück, es wirkte wie eine Tür, doch ich konnte mir nicht erklären wie das ging. Es muss etwas logisches gewesen sein, denn wie Magie sah es nicht aus. Nach der Arbeit war es auch wichtig Pausen zu machen. Nahrung spielte dabei eine besondere Rolle, Schleime sind Allesfresser, und sie essen auch sich selbst... Ich konnte beobachten, dass verletzte Exemplare durch Schleimkonsum ihre Masse regenerieren. Ich notierte den Vorgang mit wachsender Skepsis. Ist das eine Form des Kannibalismus? Oder schlicht ein biochemischer Zyklus? Doch sie konnten es sich selbst nicht erklären, sie waren nur Glücklich, dass es funktionierte… irgendwie.
Was mich besonders beeindruckte, war ihre friedfertige Natur. Jagd betreiben sie keine. Konflikte meiden sie mit sanfter Ausweichung. Ihre Gemeinschaft lebt von gegenseitiger Unterstützung und einer tiefen Hingabe zum Fortschritt. Ich beobachtete lange, wie kleinere Schleime von den Größeren unterwiesen wurden und gravierende Entscheidungen in einem kleinen Rat der ältesten getroffen wurden. Aber immer zum Wohle des Volkes, und des Geschäfts, denn sie waren gut im Handel mit anderen Volkern verbunden. Ab und an kamen Lasttiere vorbei, die Truhen und Fässer an Waren transportieren sollten.
Ich beende diesen Eintrag mit einem mulmigen Gefühl. Die Schleime sind mehr als ein Sumpfvolk. Sie sind Bewahrer alter Geschichten und zugleich schaffen sie eventuell den Grundstein für eine neue Zukunft. Vielleicht wird ein anderer Forscher den Mut haben, „Die Kroniken der Plasmoide“ zu lesen und herausfinden, was wirklich hinter ihrer Entstehung und Lebensweise steckt.
Meine Reise hat mich nun schon in viele Dörfer, Raststätten und zu streifenden Gruppierungen geführt und nun kann ich endlich über eine Spezies schreiben die für mich in vier Kategorien einzuteilen ist. Sie leben überall verstreut und untereinander leben sie wirklich manchmal wie die Tiere, doch sie können sich auch als unglaublich intelligent und strategisch erweisen. Wie vom Wind geleitet traf ich auf die Tiermenschen, hybride Wesen aus Tier und Mensch, deren Lebensweise mich bis heute fasziniert und herausfordert.
Ich unterteile sie in vier Hauptgruppen. Eine Klassifizierung, die sich mir über Monate der Beobachtung aufdrängte: Beutetiere, Raubtiere, Lasttiere und Flugtiere. Natürlich gleicht kein Tiermensch dem anderen. Jeder hat seinen eigenen Willen, eigene Stärken und Schwächen, die sich nicht pauschal mit anderen vergleichen lassen.
Sie leben meistens in Gemeinschaften, in wohlorganisierten Dörfern oder prachtvollen Festungen, die durch ihre nahezu undurchdringliche Architektur beeindrucken. Diese Bauwerke dienen nicht nur der Ästhetik, sondern dem Schutz. Denn die Jagd auf Beutetiere ist noch immer ein trauriges Kapitel ihrer Geschichte. Trotz teils traumatischer Begegnungen mit Raubtieren gibt es auch friedliches Miteinander. Ich habe Dörfer gesehen, in denen Hirsche, Hasen und Füchse Seite an Seite mit Wölfen lebten, zwar mit Vorsicht, aber auch mit Vertrauen. Die Beutetiere sind meist sanft, arbeitsam und ausgesprochen kreativ wenn es um prachtvolle Anwesen geht.
Sie treten oft im Rudel auf, manche sind jedoch Einzelgänger mit einem Hang zur Isolation. Sie besitzen einen ausgeprägten Instinkt, scharfen Blick und eine Nase, die mehr sieht als mancher Verstand. Einige Raubtiere lassen sich in die Dörfer der Beutetiere nieder, sofern sie ihre Impulse unter Kontrolle haben.
Ein Wolf, so gefährlich er auch scheinen mag, kann in Verbindung mit einem sanften Wesen wie einem Hasen schnell zum zahmen Begleiter werden. Doch Vorsicht ist geboten, nicht jeder Hund vergisst seine Herkunft.
Starke, ausdauernde Wesen, meist auf Wanderschaft wie ich. Ich traf auf sie als Boten, Händler, Wachen und manchmal auch als schweigsame Beobachter auf einsamen Pfaden. Sie sind stur, ja, aber auch zuverlässig. Hat ein Lasttier sich erst etwas in den Kopf gesetzt, bringt man es kaum wieder davon ab. In den Siedlungen übernehmen sie oft wichtige Aufgaben des Transports und der Bewachung.
oder auch mit anderen Flugwesen, Freundschaft und Zusammenhalt scheinen ihr wichtigstes Gut zu sein. Ihre Beziehung zu Drachen ist bemerkenswert, fast schon familiär, solange sich keine politische Seitenwahl dazwischen drängt. Doch auch Flugtiere werden gejagt, nicht wegen ihrer Wildheit, sondern ihrer Nützlichkeit. Denn ob Lasttier oder Flugtier wer sich als Transportmittel eignet, wird oft deswegen ausgenutzt. Doch ich habe auch Flugtiere gesehen, die mit jemanden trugen, weil sie es wollten, aus Verbundenheit, nicht aus Zwang. Wiederrum habe ich in Dörfern und Städten sogar Flugrampen gesehen mit einem kleinen Verkaufshäuschen da sie sich wie eine Kutsche anboten und vermarkten. Flugtiere sind jedoch sehr viel kleiner als Lasttiere, es gibt immer seine Vor und Nachteile.
Nicht jeder Tiermensch lebt nach Schema. Es gibt Mischformen, Grenzgänger, Einzelgänger, die den Kategorien trotzen und in sich etwas ganz Eigenes überlegen. Manche verstecken sich, andere präsentieren sich offen, als hätte die Welt sich endlich daran gewöhnt, dass Vielfalt auch Stärke bedeutet.
Sie leben nach ihrer Natur, aber nie ohne Wahl. In ihren Augen liegt Wildheit und Weisheit zugleich. Wer sie nur nach Tier oder Mensch beurteilt, sieht immer nur die Hälfte.